Valentin.
Ich sage, laß die Tränen sein!
Da du dich sprachst der Ehre los,
Gabst mir den schwersten Herzensstoß.
Ich gehe durch den Todesschlaf
Zu Gott ein als Soldat und brav.
Die Spaltung von Goethes Liebesleben
Charlotte von Stein und Christiane Vulpius
Mit seiner Abreise nach Weimar im Herbst 1775 war Goethe zürn zweiten Mal und diesmal endgültig aus seiner Beziehung zu der Frankfurter Bankierstochter, Lili Schönemann, geflohen.
Jung, schön, kultiviert und klug, aus einer reichen Familie stammend und mit vollkommenen Umgangsformen ausgestattet, wäre sie die ideale Gemahlin gewesen (Eissler I983? 161).
Die Verlobung war gescheitert. Dafür gab es äußere Gründe, ein Abra-ten beider Elternpaare, den Widerstand von Lilis Brüdern und Goethes Schwester Cornelia. Aber letztlich scheiterte Goethe an seiner Bezie-hungsunfähigkeit. Davon wird noch die Rede sein.
Rückschauend sagte er:
„Sie war in der Tat die Erste, die ich tief und wahrhaft liebte. Auch kann ich sagen, daß sie die Letzte gewesen; ... Ich bin ... meinem eigentlichen Glücke nie so nahe gewesen als in der Zeit jener Liebe zu Lili." ... (Eckermann, ibd., 574)
Die Vereinigung so vieler weiblicher Vorzüge in einer Person hat Goethe Angst gemacht.
Ähnlich sieht es auch Friedenthai (1963, 202):
„Gerade die innere Festigkeit dieses Mädchens, die Goethe schon damals gespürt haben muß, wird ihn zur Flucht veranlaßt haben, nicht der äußere Vorwand der Abneigung der Familien, die leicht zu überwinden gewesen wäre. Überwindung jedoch hätte es gekostet, sich nicht nur der Heiligen Liebe hinzugeben, sondern dem ganzen Menschen".
So blieb nur die Spaltung des Frauenbildes in die „Schwester", die kühle, stets weiß gekleidete Weimarer Hofdame, Charlotte von Stein und das „Erotikon", das Blumenmädchen Christiane Vulpius.
Von Frau von Stein, der Ehefrau des Oberstallmeisters, Gottlob Ernst Josias Friedrich von Stein, wurde der Geniebursch Goethe erzogen.