Verflucht, was an Besitz uns schmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug! (WA I, 14, 78)
Als typischer Narzißt hat Faust wenig Freude am Leben. Unter Lange-weile leidend ist er rastlos, wenn keine neue Quelle der Selbstbestätigung zur Verfügung steht.
Faust.
Doch hast du Speise, die nicht sättigt, hast ...
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt.
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbarn sich verbindet, ...
dann wieder völlig ohne Maß und Ziel mit Verschmelzungsphantasien:
Faust.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen, Und wTas der ganzen Menschheit zugeteilt ist, Will ich in meinem innern Selbst genießen, Mit meinem Geist das Höchst5 und Tiefste greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen, Und so mein Eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, Und, wie sie selbst, am End' auch ich zerscheitern. (WA I, 14, 84)
Auch Goethes Beziehung zu Gretchen ist narzißtisch, d. h. ausbeuterisch.
Faust.
(zu Mephisto) Hör, du mußt mir die Dirne schaffen!
Mit falschem Zeugnis über Herrn Schwerdtleins Tod schleicht er sich bei Gretchen ein. Auf ihren guten Ruf nimmt er nicht die geringste Rücksicht. Er kann sich in Gretchens Lage überhaupt nicht hineindenken; sonst müßte er wissen, daß diese durch ihre Liebesbeziehung mit Faust in die ernstesten Schwierigkeiten kommen müßte. Beim zweiten Besuch über-gibt der dann Gretchen, als Schlafmittel getarnt, ein Gift für Gretchens Mutter, an dem diese stirbt.
Ohne Schuldgefühl verfolgt hier Faust seine Interessen - das ist eiskalte „Killer"-Mentalität.
Als Gretchen durch ihre Schwangerschaft ins Elend gerät, flieht Faust und sucht Zerstreuung im Hexensabbat der Walpurgisnacht. Er macht dann zwar noch einen Versuch, sie vor der Todesstrafe wegen Kindesmordes zu retten, bringt aber schließlich nur sich selbst in Sicherheit.