worüber dieser eine Mensch, der an seine Grenzen kam oder sich seine Grenzen zog, schweigen wollte" (HA Band XIII, 537-554).

Entsprechend meinte Freud „... daß Goethe nicht nur als Dichter ein großer Bekenner war, sondern auch trotz der Fülle autobiographischer Aufzeichnungen ein sorgsamer Verhüller. Wir können nicht umhin, hier der Worte Mephistos zu gedenken: „Das Beste, was du wissen kannst, darfst du den Buben doch nicht sagen" (Freud, Stud. Band X, 296).

Es wäre verständlich, daß, falls Goethe Prinzipien der Traumarbeit tatsächlich erkannt haben sollte, er diese zu seiner Zeit „den Buben" nicht zu sagen wagte. Schade, Freud hätte es möglicherweise etwas leichter haben können. Wir können allerdings auch nach dem oben Dargestellten annehmen, daß Goethe eine gewisse Freude daran hatte sich „Scherze" mit seinen Lesern zu leisten. War Goethe möglicherweise der Reinecke Fuchs der Psychoanalyse? Reinecke Fuchs, welcher vor die Wahrheit der Dichtung eine Gardine zog?

Zusammenfassung

Der Autor erinnert an eine Textstelle in „Dichtung und Wahrheit", aus der hervorgeht, daß Goethe eine Symptomhandlung von Lili Schönemann als solche erkannte und psychoanalytisch deutete. Die Beschreibung und Deutung dieser Symptomhandlung ist eingebettet in ein angebliches „Gelegenheitsgedicht" (von Goethe selbst als „Scherze" bezeich­net), welches Goethe angeblich in der Nacht zum 17. Geburtstag seiner damaligen Verlobten Lili für diese als Entschuldigung für ihr zu spätes Erscheinen zum Geburtstagsfest schrieb.

Nachweislich war Goethe aber zu dem angegebenen Zeitpunkt in der Schweiz. Der Autor vermutet, daß es sich bei dem „Gelegenheitsgedicht" um einen Traum Goethes handelt, welcher Goethes Schuldgefühle Lili gegenüber zum Inhalt haben könnte.

Mit der Art der Darstellung dieses vermutlichen Traumes als „Gelegenheitsgedicht" hat sich nach Ansicht des Autors Goethe mit dem Leser von DuW einen „Scherz" erlaubt.

Anhand dieses „Scherzes" versucht der Autor einige Gestaltungsprin-

zipien aufzuzeigen, nach denen Goethe vermutlich „Dichtung und Wahrheit" konzipierte.

Summary

The author draws attention to a place in the text of "Dichtung und Wahrheit" from which it emerges that Goethe recognized Lili Schönemann's symptomatic act as such and explained it in a psychoanalytical manner. The description and meaning of this symptomatic act is embedded in an ostensibly "occasional poem" (described by Goethe himself as a "joke") which Goethe ostensibly wrote in the night of the 17th birthday of his then fiancee Lili, as an apology for his appearing too late for the birthday party.

Evidently Goethe, however, was in Switzerland at the indicated point intime. The author surmises that in the "occasional poem" it is a matter of a dream of Goethe, which could have as its subject Goethe's feelings of guilt towards Lili.

With the type of portrayal of this presumed dream as "occasional poem", Goethe, in the author's view, permits himself a joke with the reader of "Dichtung und Wahrheit".

Given this "joke" the author tries to show some principles of construction according to which Goethe presumably drafted "Dichtung und Wahrheit".

Literatur

Bayerische Staatsregierung (1988): Alkoholismusreport. Eine Information der Bayer. Staatsregierung. Ein Bericht über: Wirkungen, Folgen, Hintergründe. Verfaßt von Dieter Athen und Erich Schuster, überarbeitet von Dieter Athen und Rolf Tiedemann. 5. überarbeitete Auflage. Hg. v. Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung 1988.

Bleuler, E. (1972): 12. Auflage von Manfred Bleuler. Lehrbuch der Psychiatrie. Springer-Verlag.

Dettmering, P. (1973a): Dichtung und Psychoanalyse II. Sammlung Dialog 73, Nymphenburger Verlagshandlung, darin: Ungleiche Zwillinge in Goethes „Pandora", 19-32.

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