Raum zu solchen Abenteuern finden können, da sie doch ziemlich wußten, wie beschäftigt ich war, wo ich aus- und einging ... Sie mußten sich daher mehr selbst betrügen, als ich sie zum Besten haben konnte". (HA Band IX, 50).
Auch der heutige Leser von DuW weiß bei einiger Kenntnis der Reiseunternehmungen von Goethe, daß er sich zum Zeitpunkt von Lili Schönemanns 17. Geburtstag nicht in Frankfurt oder Offenbach aufhielt!!
Es folgt in DuW wenige Zeilen nach dem oben Zitierten die Niederschrift des Knabenmärchens „Der neue Paris".
Es ist beeindruckend wie intensiv sich Goethe mit seinen Träumen beschäftigte und den Leser gleich zu Beginn seiner Autobiographie sozusagen mit der Nase darauf stößt. Wie die Interpretation des sogen. „Gelegenheitsgedichtes" zeigen kann, hat sich Goethe offenbar bis ins hohe Alter aus seiner Kindheit seine große Raffinesse bewahrt, jedoch nicht ohne dies dem Leser auch mitzuteilen. Wenngleich Goethe den Leser auch anschließend jeweils sofort wieder in Sicherheit vor seiner Raffinesse wiegt: so z. B. als er nach Abschluß des Knabenmärchens (HA Band IX, 65) sofort bemerkt: „Übrigens war ich den Lügen und der Verstellung abgeneigt, und überhaupt keineswegs leichtsinnig; vielmehr zeigte sich der innere Ernst, mit dem ich schon früh mich und die Welt betrachtete ..." (Z. 27-30, 65).
Nach Abschluß des Knabenmärchens folgen in DuW keine deutlichen Hinweise mehr auf Goethes Beschäftigung mit seinen Träumen. Die Plazierung des Knabenmärchens „Der neue Paris" welches aus zwei Kinderträumen Goethes besteht, gleich zu Anfang von DuW, könnte stark symbolische Funktion haben, nämlich als Hinweis darauf, daß viele von Goethes Werken möglicherweise umgestaltete oder aber ausgearbeitete Träume sind. In Zusammenhang mit dem oben Dargestellten und Eisslers Feststellung, daß Goethe sogar Träume hatte, deren manifester Inhalt in vollendet gestalteten Gedichten bestand (Eissler 1487) und Goethe sogar in Fortsetzung träumen konnte (Goethe HA Bd. X, 47 f.) scheint eine solche Deutung vertretbar.
P. Dettmering meint zunächst in seiner Interpretation von Goethes „Pandora": „... Epimetheus ... bekennt sich zugehörig zum „trüben Reich gestaltenmischender Möglichkeit" - einer Übergangszone, in der
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sich Äußerungen und innere Realität im Zeichen dichterischer Phantasie zu etwas Drittem verbinden" (Dettmering 1973a, 22). Er zitiert entsprechend aus Pandora:
„... Vergangnes, träumebildend, mischt Zukünftigem. ... Nicht sondert mir entschieden Tag und Nacht sich ab,
und meines Namens altes Unheil trag ich fort:
Denn Epimetheus nannten mich die Zeugenden,
Vergangenem nachzusinnen, Raschgeschehenes
zurückzuführen mühsamen Gedankenspiels
zum trüben Reich gestaltenmischender Möglichkeit."
P. Dettmering bezeichnet dann Goethes „Wesen" in seiner Interpretation von Goethes „Wahlverwandtschaften" etwas dezidierter, möglicherweise im weiter oben ausgeführten Sinne: „... dieses ... Wesen (von Goethe), das sich in der „Pandora" in gestaltenmischenden Träumen des Epimetheus ... ankündigte ..." (Dettmering 1973b, 33). Auch Dettmering weist letztlich damit recht deutlich auf Goethes Beschäftigung mit Träumen und den Einbau bzw. Ausbau dieses Phänomens in Goethes Dichtkunst hin.
In seinem Nachwort zu Goethes naturwissenschaftlichen Schriften in der Hamburger Ausgabe Bd. 13 stellt C. F. von Weizsäcker fest, daß Goethe Erkenntnis suchte „die an sich gelten sollte, über jeden Anteil an seiner Person und seinem dichterischen Werk hinaus" (HA Band XIII, 537). C. F. von Weizsäcker meint weiterhin, daß Goethe dieses gelungen sei wie bei der Untersuchung der subjektiven Farben, der Entdeckung des menschlichen Zwischenkieferknochens und dem Präludium der Abstammungslehre in Goethes Begriff der Metamorphose.
Offenbar hat Goethe auch auf dem Gebiet der Psychoanalyse vieles vorweggenommen, wie Freud bereits feststellte. Vermutlich fand auch das Rätsel der Traumentstellung bereits bei Goethe deutliche Ansätze zu seiner Auflösung (Tiedemann 1986).
C. F. von Weizsäcker meint weiterhin Goethe habe „in den reifen Mannesjahren ... kaum erträgliche Bewußtwerdearbeit..." geleistet. Er meint „der Dichtung Schleier aus der Hand der Wahrheit" (Goethe-Zitat) hat der Dichter erhalten ..., was nicht gesagt werden kann, ist nicht nur das, was Menschen auszusprechen überhaupt versagt ist. Es ist auch das,
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