stände stets den Ort zu verändern scheinen: denn bei wiederholtem Besuch jener Gegend glaube ich bemerkt zu haben, daß die Nußbäume etwas zusammenrücken, und daß Tafel und Brunnen sich ebenfalls zu nähern scheinen ...".
Goethe bezeichnete dann im folgenden (S. 65) den im Traum gesehenen Ortshinweis als ganz einfache und leicht zu erörternde Sache (s. hierzu Tiedemann 1986).
Auf diesen wenigen Seiten zu Anfang von DuW gibt Goethe uns ein eindrucksvolles und anschauliches Beispiel dafür wie sehr er sich schon als Kind mit seinen Träumen und deren Überprüfung an der Realität beschäftigt hat. Sollte es ihm bei auch späterhin so intensiver Beschäftigung nicht möglich gewesen sein einfache Prinzipien der Traumarbeit (im obigen Beispiel z. B. Verschiebung und Verdichtung) erkennen zu können? Goethe war immerhin ein großer Systematiker und Naturforscher.
Gleich zu Beginn von DuW gibt uns Goethe eine Beschreibung seines Großvaters, wobei er ausführlichst von ihm erwähnt, daß er sehr häufig Träume hatte: „... alle wußten doch, daß er durch bedeutende Träume von dem ,was sich ereignen sollte, unterrichtet werde". (HA Band 9,46 f). Goethe schildert dann, daß er auch Aufzeichnungen von seinem Großvater über dessen Träume gefunden hat. Diese Aufzeichnungen waren z.B. chiffriert (Goethe fügte in seinen Tagebüchern später häufig Geheimzeichen bzw. Chiffren ein).
Goethe erwähnt zum Abschluß der Beschreibung: „Aber auf keines seiner Kinder und Enkel hat eine solche Gabe fortgeerbt; vielmehr waren sie meistenteils rüstige Personen, lebensfroh und nur aufs Wirkliche gestellt". (HA Band IX, 47).
Gilt dies auch für den Enkel Johann Wolfgang? Goethe schrieb, dies offen lassend, immerhin „... meistenteils ..." (s.o.).
Wenige Seiten vor Beginn des Knabenmärchens „Der neue Paris" schildert Goethe, wie er sehr häufig schon als Kind seinen Gespielen seine eigenen Träume in Form von wirklich Erlebtem bzw. Märchen erzählte und diese ihm glaubten, er habe das wirklich erlebt, ja daß er als auch seine Spielkameraden zu den von Goethe im Traum gesehenen Orten gingen und so das Erzählte noch an Wahrheitsgehalt eher gewann. Dies soll im folgenden der Originaltext verdeutlichen:
|
|
„Diesen (seinen Spielkameraden, den Goethe in DuW Pylades nennt) so wie andre Wohlwollende konnte ich sehr glücklich machen, wenn ich ihnen Märchen erzählte, und besonders liebten sie, wenn ich in eigner Person sprach, und hatten eine große Freude, daß mir als ihrem Gespielen so wunderliche Dinge könnten begegnet sein, und dabei gar kein Arges, wie ich Zeit und Raum zu solchen Abenteuern finden können, da sie doch ziemlich wußten, wie ich beschäftigt war, und wo ich aus und einging. Nicht weniger waren zu solchen Begebenheiten Lokalitäten, wo nicht aus einer andern Welt, doch gewiß aus einer andern Gegend nötig, und alles war doch erst heut oder gestern geschehen. Sie mußten sich daher mehr selbst betrügen, als ich sie zum besten haben konnte. Und wenn ich nicht nach und nach, meinem Naturell gemäß, diese Luftgestalten und Windbeuteleien zu kunstmäßigen Darstellungen hätte verarbeiten lernen, so wären solche aufschneiderische Anfänge gewiß nicht ohne schlimme Folgen für mich geblieben.
Betrachtet man diesen Trieb recht genau, so möchte man in ihm diejenige Anmaßung erkennen, womit der Dichter selbst das Unwahrscheinlichste gebieterisch ausspricht, und von einem jeden fordert, er solle dasjenige für wirklich erkennen, was ihm, dem Erfinder, auf irgend eine Weise als wahr erscheinen konnte". (HA Band IX, 50).
Es folgt dann als Beispiel eines solchen Märchens das Knabenmärchen „Der neue Paris" in DuW, ein Märchen, welches laut Goethe aus zwei Kinderträumen von ihm besteht (s. o.).
Läßt man nun nicht unbeachtet, wie häufig Goethe bereits auf den ersten Seiten von DuW den Leser darüber informiert, wie intensiv ihn seine eigenen Träume schon als Kind beschäftigt haben und wie beeindruckt nicht nur er, sondern die ganze Familie von den Träumen seines Großvaters und deren prophetischer Qualität war, so gibt dies zu denken.
Erkannte nicht Goethe bereits, wie aus folgenden Zeilen hervorgehen könnte, das Phänomen des Widerstandes? Ein Phänomen, dessen Goethe sich möglicherweise nur allzugut in seiner Dichtkunst zu bedienen wußte?
Ein Satz gewinnt aus dem zitierten Absatz möglicherweise besondere Bedeutung wenn man ihn auf das sogenannte „Gelegenheitsgedicht" beziehen würde: „... und hatten dabei gar kein Arges, wie ich Zeit und
|
|