Freud schrieb, Goethe sei der Psychoanalyse in manchen Stücken nahegekommen. Er meinte, daß Goethe nicht nur ein großer Bekenner, sondern auch ein sorgsamer Verhüller war (Freud, 1930). So schrieb Goethe an Zelter am 1. Juni 1831 bezüglich des Faust-II es sei keine Kleinigkeit, „wohl dem fertig hingestellten noch einige Mantelfalten umzuschlagen, damit alles zusammen ein offenbares Rätsel bleibe, die Menschen fort und fort ergötze und ihnen zu schaffen mache…“ (Goethe 41, WA IV, Bd. 48, 266). Zur Struktur des FAUST2 schreibt A.Schöne: „Einzig die willkürfreie Zahl der Akte ist es, mit der dieses Spiel noch an das klassisch normative, strukturnotwendige fünfaktige Drama erinnert“ (Schöne, Komm, S.389).

Goethe würde hingegen doch auch den Anforderungen der Poetologie des Aristoteles mit der Faustdichtung nachgekommen sein: der Idee, bzw. Forderung der sogenannten „drei Einheiten“ einer Tragödie (s.a. Trunz, FAUST, 16. Auflage, S.442). Demnach sollten in jedem Drama die Einheit der Zeit / die Einheit des Ortes / die Einheit der Handlung gewahrt sein. Das heißt: spielbare Länge, an einem Ort aufführbar (Bühne) und in der Handlung nicht ausschweifend, das Verständnis der Zuschauer nicht überfordernd.

Diesen Forderungen wäre entsprochen: die Zeit ist eine Nacht (mehrere Stunden); der Ort ist ANMUTIGE GEGEND, Faust auf blumigen Rasen gebettet (gewollte Assoziation Bett? Anm. Tiedemann ) . Assoziation Bett : warum „gebettet“ und nicht einfach nur liegend? Vielleicht im Bett liegend auf oder in mit Blumen- und Wiesenmuster, Rasen und Gras verziertem, bedruckten (Kinder-)-Bettbezug , entsprechend nachts träumend im Bett? Hier haben wir wohl wieder einen sehr deutlichen Hinweis auf die Verschlüsselungs-Technik von Goethe, alias Reineke Fuchs der Dichtkunst. Die Handlung ist: Faust schlafsuchend, dann schlafend und träumend (im Bett?). Das würde zur Interpretation und Einheit des Ortes passen.

Goethe teilte H. Meyer am 20.7.1831 mit, dass er den zweiten Teil des „Faust“ seit vielen Jahren als ein „inneres Märchen“ mit sich herumgetragen habe. In Traum1 des Knabenmärchens tritt Mercur auf, als Abspaltung Goethes leicht erkennbar (DuW, S…; Autor 1986, S. 222, 227; u.s.o.) . Wird aus Mercur im Märchen später Mephisto in der Faust-Dichtung (s. u. Trauma-A)? Am 22.10.1826 schrieb Goethe über den dritten Akt in „Faust 2“: „Die Handlung ist […] mit reinster Einheit des Orts“ (an Boisserée; G-Briefe; s. auch Faust, Trunz, 2007, Komm., S. 442). Goethe wollte anfangs mindestens wohl den ersten Akt von „Faust 2“ in Frankfurt spielen lassen (Beutler, 1980, S. 652). Lohmeyer meint, Goethe habe den Palast in „Faust 2“ „[…] zum […] Vaterhaus gemacht“ (Lohmeyer, 1975, S. 297).