21

Erichtho schildert vorherahnend, was passieren wird entsprechend den unbewussten ödipalen Ängsten des Knaben Goethe und zum anderen berichtet Erichtho von der Vergangenheit (Nachgesicht) ,dass es Solches schon gegeben hat (Goethes unbewusster Erinnerung entsprechend seinem Kindheitserlebnis, wie von Eissler interpretiert).

In der klassischen Walpurgisnacht des Faust II können wir also die deutlichere ebenfalls natürlich unbewusste Ausgestaltung des Inhaltes des Titania-Vierzeilers finden, nicht mehr so inhaltlich entstellt wie im Faust 1 (dort allerdings formal noch als Vierzeiler erhalten).Wodurch wird hier in der Erichtho Scene aber der eigentliche sexuelle Inhalt des ursprünlichen Traumes (des Titania Vierzeilers) offenbar ? Nur noch angedeutet durch Erichtho als Mutterimago und mit ihr als gleichzeitiges Symbol für Hexe und damit auch Sexualität ,allerdings auch als Todesengel 46.

Was wurde nun aus den „läppischen“ Kinderreimen des Walpurgisnachtstraumes? Weltberühmte Verse der Erichtho im Faust II.

Verzweiflung, Schuld und unbewusste Ängste waren für Goethes Schaffen offenbar enorm starke Antriebsfedern.

In seinem berühmten Abschnitt über Hamlet in „Die Traumdeutung" 47 sagt Freud: „Es kann natürlich nur das eigene Seelen-leben des Dichters gewesen sein, das uns im Hamlet entgegentritt" . Das Gleiche dürfte auch in bezug auf Goethe und seine Faust-Dichtungen Gültigkeit haben. 48


46 Mattenköfer,S.421.Goethe Handbuch,Faust II,Kommentar.
47 Freud 1900 a, S. 272.
48 siehe hierzu auch Tiedemann ,1988, Zu Beginn von „Dichtung und Wahrheit" erzählt Goethe, daß er als Kind eines Tages Puppen- und Küchengeschirr mit Freude zerstörte, indem er es hinauswarf. Freud äußerte den Verdacht, daß Goethe dieses zum Zeitpunkt einer Schwangerschaft oder Niederkunft seiner Mutter getan haben könnte und damit seiner Wut über die Schwangerschaft der Mutter und die Geburt des Geschwisterchens Ausdruck gab. Es finden sich in der „Hexenküche" des Faust I neben Beschreibungen, die sehr an das in „D.u.W." geschilderte Zerbrechen des Geschirrs denken lassen, noch weitere Anhaltspunkte, die die oben erwähnte Interpretation Freuds zusätzlich sehr wahrscheinlich klingen lassen. Es wird die Vermutung geäußert, daß die „Hexenküche" ein dichterisch überarbeiteter Traum oder „Tagtraum" Goethes sein könnte, der u.a. die Ereignisse wie in der erwähnten Erzählung zum Inhalt haben kann.