sehen. Entsprechend sagt Thaies später zu Homunculus, der einen Pro-teus-Delphin (wie Faust den Chiron) besteigt (8156 f): „Und steht er euch, .../Was Staunen macht und in Verwirrung setzt." Wobei ein Delphin wohl noch deutlicher als Penissymbol interpretierbar ist.

Chiron trabt dann mit Faust durch einen Fluß und bringt Faust zum Tempel von Manto, einer Mutterimago (Eissler 1985, 1630; Scholz 1982, 166). Dazu: Sie (Faust und Manto) steigen hinab (7490).

Tempel einer Mutterimago ist deutbar z. B. als Scham oder Vulva (s. „Baubo" in der Walpurgisnacht; Schöne 1994, 349).

Goethe läßt diese wahrsagende Priesterin des Apoll, Tochter des Sehers Teiresias, von Äskulap, dem Gott der Ärzte abstammen: Als Heil­kundige nämlich soll sie beitragen zu Fausts „askläpischer Kur" (7487) -derer sich der liebeskranke Faust nicht bedürftig sieht (Schöne 1994, 546).

Homunculus

Ähnlich wie Faust den Zentaur Chiron besteigt Homunculus als kind­liches alter ego Goethes den in einen Delphin verwandelten Gott Prote­us (Reg. vor 8327) Thaies' Aufforderung folgend (8321): „Gib nach dem löblichen Verlangen/Von vorn die Schöpfung anzufangen." Auf die Deutung des Delphins als großen Penis wurde schon hingewiesen.

Proteus Ermunterung (8327): „Komm geistig mit in feuchte Weite,/ Da lebst du gleich in Läng' und Breite", kann als Hinweis auf sexuelle Imagination („geistig") und Erektion angesehen werden. Entsprechend meint Thaies anschließend (8333 f): „Nachdem es kommt; 's ist auch wohl fein/Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu sein."

Wie zu Beginn der Szene zwischen Faust, Mephisto und Homunculus vereinbart, sucht jeder zunächst sein eigenes Abenteuer in der Szene und sie sind später wieder vereint, wenn Homunculus seine Leuchte tönend scheinen läßt (7065 ff). Dies erfolgt dann als die Doriden „Galatcc, der Mutter Bild" (8385), also eine Mutterimago (auf einem Muschelwagen, was der sexuellen Bedeutung zusätzliche Symbolik verleiht), heranbrin­gen. Und Homunculus meint:

In dieser holden Feuchte (8458 ff) Was ich auch hier beleuchte, Ist alles reizend schön.

Und Proteus meint zu Homunculus (8461 ff):

In dieser Lebensfeuchte Erglänzt erst deine Leuchte Mit herrlichem Getön.

Thaies beobachtet dann: „Jetzt flammt es, nun blitzt es, ergießet sich schon." (8473) Und so herrscht am Schluß der Szene Klassische Walpurgisnacht wie auch bildlich symbolisch dargestellt „Eros, der alles begon­nen!" (8479) Schöne meint dazu:

Was flammt um die Muschel...ergießt sich schon... auf den weiblichen Schoß, den Ge­schlechtsakt, den Orgasmus deuten die Sprachbilder, die den Liebestod des Homunculus bezeichnen. Hier wird Homunculus zur Spiegelfigur des Protagonisten (Faust)." (Schöne 1994, 575)

Thaies verdeutlicht zuvor, daß alles nur gedacht bzw. gewünscht ist: „Sei ruhig! Es war nur gedacht." (7946) Thaies und Anaxagoras fungieren im übrigen offenbar als Vater-imagines. In dem (milden) Streitgespräch zwischen den Philosophen ist möglicherweise das Verhältnis zwischen Goethes Großvater (Thaies) und seinem Vater dargestellt. Thaies war politisch klug und konnte Vorhersagen machen, wie auch der Großvater Goethes. Goethes Vater lieferte sich einmal mit seinem Schwiegervater ein heftiges Streitgespräch bei dem angeblich Messer und Degen gezogen wurden (Beutler 1981, 152 f).

Mephisto

Mephisto, als alter ego Fausts bzw. Goethes (Dettmering 1996,163, 173; Eissler 1985,1716; s.a. Linden 1996; Scholz 1982,20), steht zunächst wie auch Faust vor den Sphinxen und bekommt (auf seinen Wunsch) die Auf­gabe ein Rätsel zu lösen bzw. zu verkörpern.

Mephisto:
Gib Rätsel auf, allenfalls Scharaden. (7131 ff)
Sphinx:
Sprich nur dich selbst aus, wird schon Rätsel sein
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