Marie, Gretchen, Helena
Goethe und seine Schwester Cornelia im Spiegel
seiner Frauengestalten*
Walfried Linden
„Und ich glaube, daß unser im Zeichen der Jungfrau
geborener olympischer Urgroßvater, den man in die-
ser Stunde feiert, zwar seine Zusammenbrüche gut.
verschleiern konnte, aber sie kannte und von ihnen
lebte"
Gottfried Benn, 1949
Indem ich mich dem Genie Goethe als Psychoanalytiker nähere, fühle ich Beklommenheit wie Faust, als er zu den Müttern hinabstieg. Mit den Worten von Mephisto:
„Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
Um sie kein Ort, noch weniger eine Zeit;
Von ihnen sprechen ist Verlegenheit."
Ermutigung gibt in dieser Lage Sigmund Freuds Ansprache im Frankfurter Goethe-Haus, anläßlich der Verleihung des Goethe-Preises der Stadt Frankfurt im Jahre 1930 (Freud, 1930). Über die Psychoanalyse im Dienste der Biographik erklärte er: „Die Psychoanalyse kann manche Aufschlüsse bringen, die auf anderen Wegen nicht zu erhalten sind, und so neue Zusammenhänge aufzeigen in dem Webermeisterstück, das sich zwischen den Triebanlagen, den Erlebnissen und den Werken eines Künstlers ausbreitet."
Von Wurmser (1987, S. 118 f.) wurde bei der Behandlung von Patienten mit schwerer neurotischer Pathologie eine bestimmte Konstellation von
* Meiner Frau Renate Linden mit herzlichem Dank für viele anregende Gespräche und Hinweise.