Marie gegenüber sein Liebes- und Eheversprechen und erhält Maries Vergebung, Es kommt zur Aussöhnung der Parteien, und Clavigo erhält die ihm abgezwungene Erklärung zurück.

Nicht eigentlich schlecht, aber doch leicht bestimmbar, läßt er sich in der Folge aber von seinem Freund Carlos zu einem erneuten Treuebruch überreden. Er erhebt Anklage gegen Beaumarchais. Dieser habe sich unter falschem Namen in sein Haus geschlichen und ihn unter vorgehaltener Pistole gezwungen, eine schimpfliche Erklärung zu unterschreiben. Als Marie von diesem neuerlichen Verrat erfährt, bricht sie tot zusammen.

Vor Maries Wohnung begegnet Clavigo in einer nächtlichen Szene Maries Leichenzug. Als er sich voller Reue Mariens Leiche nähert, wird er von Beaumarchais im Zweikampf getötet und erhält sterbend des Bruders Vergebung.
Diese Erzählung hat Elemente, die sich in Fausts Beziehung zu Gretchen, aber auch zu Helena mehr oder minder wiederholen. Es sind:
1) Die unglückliche Heldin ist Schwester, und die Dramatik der Hand-
lung resultiert ganz wesentlich aus dem Bruder-Schwester-Verhältnis.
2) Die Heldin wird getötet, d. h. vom Mann zerstört.
3) Eine Ehe oder dauerhafte Zweierbeziehung wird verhindert.
Maries Bruder Beaumarchais ist der positive Held des Dramas. Er
vergewissert sich zuerst, daß Marie kein Verschulden an der Trennung von Clavigo trifft. Dann geht er klug und mutig an die Realisierung seiner Rachepläne. Der ideale, liebende und rächende Bruder nach Goethes Sicht der Dinge.
Dann aber kommt die wichtige Abweichung Goethes von der Vorlage des Beaumarchais. Bei Caron de Beaumarchais erfolgt nach dem doppelten Treuebruch Clavigos eine Intervention des Bruders beim König in Aranjuez. Clavigo wird seiner Ämter enthoben. Beaumarchais kehrt nach Madrid zurück, „wo alle Franzosen sich bemühten, meiner armen Schwester Zeugnisse ihrer alten Freundschaft zu geben" (Beaumarchais, ebd.).
Der Tod Maries und Clavigos Tötung an Maries Bahre ist also Goethes Erfindung. Nach meiner Auffassung ist diese Version nicht nur dramati-sches Stilmittel, sondern reflektiert Goethes tiefe, unbewußte Überzeugung: Eine Schwester, die sich vom Bruder einem Ehemann zuwendet, hat ein todeswürdiges Verbrechen begangen.

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