Schicksal hat, als Bräutigam sie heimzuführen!" (2445 ff). Dementsprechend fänden sich anschließend Darstellungen, die die Thematik der Masturbation und des Ödipuskomplexes symbolisch enthalten könnten:

Regie: Faust sieht immerfort in den Spiegel, Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen:

„Hier sitz' ich wie der König auf dem Throne,
den Zepter halt' ich hier, es fehlt nur noch die Krone" (2448 f).

Faust hat währenddessen Angst, „verrückt" zu werden (2456). Mephisto beginnt „fast selbst der Kopf zu schwanken" (2457), bei solchen „Gedanken" (2460). Die Meerkatzen haben unterdessen darauf hingewiesen, daß Reden, Hören, Sehen, Reimen sowie Gedanken eine Einheit bilden (2454 ff), somit wohl auch die jeweils dementsprechenden Personen in der Szene? Mephisto meint dazu „ in obiger Stellung" (Regie n. 2462): „Nun, wenigstens muß man bekennen, daß es aufrichtige Poeten sind" (2463 f). Eissler wies bereits auf eine Anspielung auf die Masturba­tion in Goethes „Der Triumph der Empfindsamkeit", ein Stück, das 1777, gut 10 Jahre vor der Entstehung der „Hexenküche", geschrieben wurde (Eissler 1, S. 303 ff). In bezug auf „Der Triumph der Empfindsamkeit" meint Eissler: „Anspielungen auf außerehelichen Verkehr, Homosexualität und Inzest waren in Romanen, Theaterstücken und Briefen annehmbar. Doch eine offene Anspielung auf die Masturbation war in der guten Literatur wohl sehr ungewöhnlich" (Eissler 1, S. 305 und Anmerkung 13, S. 754). Umso verständlicher wird Mephistos Äußerung von den aufrichtigen Poeten (2463 f).

Im späteren Verlauf des Faust I sitzt übrigens Faust in Gretchens Zimmer in einem Sessel, den er als „Väterthron" (2697) bezeichnet und denkt an die Liebesvereinigung mit Gretchen (Regie n. 2694: Er wirft sich auf den ledernen Sessel am Bette). Die Thematik des Ödipuskomplexes findet sich im Faust I u. a. in der Szene „Walpurgisnacht" wieder (Eissler 2, S. 49).

Wie bereits oben zitiert, erzählte Bettina von Arnim, daß Goethes Mutter in die Küche hinzukam und herzlich mitlachte, als sie ihren Sohn Scherben anrichten sah. Goethe hingegen schrieb „nur später erschien jemand zu hindern und zu wehren" (S. 12). Freud meint „das Kind, welches Geschirr zerschlägt, weiß wohl, daß es etwas Schlechtes tut,

worüber die Erwachsenen schelten werden..." (Freud, 1917). Sogar auf drohende Todesgefahr für den „Sohn", sollte es „Scherben" geben, wird in der „Hexenküche" hingewiesen (2413). Zwar lacht die Hausherrin in der „Hexenküche" (2514), aber zuvor tut sie etwas anderes, nachdem sie in die Küche zurückkehrte und Faust sowie Mephisto erblickte: „Was ist das hier? ... Die Feuerpein Euch ins Gebein!" Regie: Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Kessel und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Tieren. Die Tiere winseln (2469 ff). Die Handlung ist als eine recht bildhafte Darstellung des Sengebekommens deutbar.

Daß nicht nur den Tieren das Fell versengt wird, sondern mindestens auch Faust, folgt aus einer späteren Regieanweisung: „Die Hexe, mit vielen Zeremonien, schenkt den Trank in eine Schale, wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme" (Regie n. 2582). Der Zaubertrank wurde in einem Kreis, interpretierbar als „Bannkreis" beschworen und Faust gereicht (Regie n. 2531 u. 2539).

Während die Hexe den Kreis zieht und „wunderbare Sachen" hineinstellt, fangen indessen die „Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen und machen Musik". Es handelt sich dabei offenbar um unzerstörte Gläser und Kessel, erkennbar daran, daß sie Musik machen. Eventuell ist die Beschreibung von unzerstörtem Geschirr in dem Zusammenhang deutbar als Wunsch, die vorherige Zerstörung ungeschehen machen zu wollen? Eine Analogie dazu findet sich in dem zweiten Traum des Knaben­märchens „Der neue Paris", aus Dichtung und Wahrheit, in dem die zuvor von dem Schulknaben Goethe zerstörten Reiterfiguren des Mädchens Alerte anschließend „sich von selbst wieder zusammenfügten" (S. 61). Auch dort handelt es sich übrigens um Spielzeug, entsprechend Goethes Äußerung in D.u.W. „uns Kinder dergleichen Geschirr im Kleinen zu spielender Beschäftigung..." (S. 11).

Die Szene „Hexenküche" fehlt im Urfaust noch. Goethe schrieb sie im Garten der Villa Borghese 1788 in Rom (Scheithauer S. 189). Wie Eissler überzeugend darlegt, beschäftigte sich Goethe ausgeprägt mit seinen Träumen, von denen viele in überarbeiteter Form als Gedichte usw. in Goethes Kunstschaffen Eingang fanden. Eissler wies sogar dar­auf hin, daß Goethe fertige Gedichte träumen konnte und hernach nur noch niederschrieb (Eissler 1, S. 1478 f).

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